Der Ausgleich mit Ungarn. Vom österreichischen Standpuncte beleuchtet.

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(The Compromise with Hungary as Seen from the Austrian Standpoint)
Supplement to Issue No. 883 of the Neue Freie Presse.
Published polemic by Franz Freiherr von Sommaruga. (Vienna: C. Gerold's Sohn, 1867)
Summarizes concerns for Austria about recommendations of the Hungarian Parliament
regarding the imminent Austro-Hungarian Double Monarchy.
(February 14, 1867; German transcriptions)


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I.

Das umfangreiche Elaborat der 67er Commission des ungarischen Landtages, welches die Grundlagen für den Ausgleich zwischen Oesterreich und Ungarn enthält, liegt uns nunmehr vollständig vor und dürfte bei der ganz ungewöhnlichen Hast, mit der diese Sache betrieben wird, wohl schon im Laufe der nächsten Wochen im Plenum des ungarischen Landtages zur Verhandlung und voraussichtlich zur unveränderten Annahme gelangen.

Obwohl dieses Aktenstück, durch dessen Annahme aller Wahrscheinlichkeit nach das zukünftige Schicksal des österreichischen Staates besiegelt werden wird, sowohl wegen seiner, die richtige Auffassung zuweilen sehr erschwerenden Form, wie auch wegen der verhängnißvollen Bedeutung seiner einzelnen Bestimmungen ein reifliches und eingehendes Studium gar sehr erheischt, so erachten wir es doch im Hinblick auf die klar ausgesprochene Absicht, den Abschluß des Ausgleiches auf der Grund- lage dieses Elaborates mit allen Mitteln zu beschleunigen, und ohne jede vorläufige Vernehmung der diesseitigen Reichsvertretung im Wege der Octroyirung durchzuführen, für unsere Pflicht, schon jetzt die wesentlichsten Bestimmungen dieses Ausgleichsprogrammes zu beleuchten und die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Gefahren hinzulenken, die daraus mit unbedingter Nothwendigkeit für den gesammten Staat und insbesondere für die diesseitige Reichshälfte entspringen müssen.

Das Wesen des Ausgleiches, insoferne es sich um die zukünftige Stellung Ungarns handelt, besteht in der vollständigen Wiederherstellung der ungarischen Verfassung vom Jahre 1848.

Ungarn tritt dadurch aus dem dermaligen Gesammtverbande der österreichischen Monarchie und wird zu einem selbstständigen unabhängigen Staat mit vollständig abgesonderter Gesetzgebung und einer eigenen, der ungarischen Landesvertretung verantwortlichen Regierung, welche mit Ausnahme der auswärtigen Angelegenheiten alle übrigen Zweige der staatlichen Thätigkeit umfaßt. Ungarn erhält sein eigenes Kriegsheer und die uneingeschränkte Disposition über alle Zweige der Landesfinanzen, in welcher Beziehung jeder Einfluß der Centralgewalt (des Reichsfinanzministers) aufhört und daher auch die gesammte, derzeit noch in Ungarn befindliche österreichische Finanzverwaltung sofort aufgelöset wird.

Zu der westlichen Hälfte der Monarchie tritt Ungarn in Hinkunft nur in das Verhältniß eines Bundesstaates.

Die sogenannten gemeinsamen Angelegenheiten, durch welche Ungarn mit Oesterreich künftighin zusammenhängt, beschränken sich

1. auf die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten,
2. auf einen Antheil an dem Aufwande für die auswärtige Vertretung, für die Armee (ob auch für die Flotte, ist nicht bestimmt), und eventuell für einen Theil der Staatsschuld. Die Höhe dieses von Ungarn rücksichtlich der ersteren beiden Posten zu übernehmenden Antheiles soll erst in der Folge, nachdem Ungarn in den vollen factischen Genuß seiner 1848er Verfassung getreten sein und sein unabhängiges Ministerium erlangt haben wird, durch einen besonderen, zwischen den Vertretungen der beiden Reichshälften zu vereinbarenden Pact und in Ermanglung eines

Einverständnisses durch einen Machtspruch Sr. Majestät bestimmt werden. Die Beschlußfassung in Betreff des von Ungarn anzuerkennenden Theiles der österreichischen Staatsschuld ist ausschließlich dem ungarischen Landtage vorbehalten.

In Betreff der Gesetzgebung rücksichtlich der indirecten Steuern, Zölle und sonstigen Staats-Monopolszweige erlangt Ungarn gleichfalls seine volle Unabhängigkeit; es erklärt sich jedoch bereit, mit der westlichen Reichshälfte auf rein internationaler Grundlage einen zeitweise giltigen Zoll- und Handelsvertrag abzuschließen.

Die Feststellung des jährlichen Budgets der gemeinsamen Staatsausgaben, in der bereits früher bezeichneten Beschränkung, soll, wie bekannt, durch Delegationen aus jedem der beiden Reichstage, deren keiner mehr als 60 Mitglieder haben darf, stattfinden, die hierüber ganz abgesondert berathen, und nur, wenn ein dreimali- ger (!) Schriftenwechsel zwischen ihnen erfolglos geblieben ist, sich zu einer gemeinschaftlichen Abstimmungssitzung, bei welcher jedoch jede Discussion ausgeschlossen ist, vereinigen.

Zur Führung der eigentlichen Reichsangelegenheiten werden in Hinkunft nur zwei Minister (wahrscheinlich mit dem Sitze in Wien) bestehen; der Minister des Auswärtigen und der Reichsfinanzminister. Selbst das gemeinschaftliche Kriegsministerium wird aufgelassen werden und wird für jede der beiden Reichshälften ein besonderer Kriegsminister bestehen.

Dem Reichsfinanzminister wird die Sorge für die Bestreitung des gesammten gemeinschaftlichen Staatsaufwandes, also für die Kosten der diplomatischen Vertretung, der Heeres- und Flottenverwaltung und des eventuell vom ungarischen Landtage anzuerkennenden Theiles der Staatsschuld obliegen. Ein Einfluß auf die zur Gedeckung dieses Aufwandes erforderlichen Einnahmen ist ihm jedoch entzogen (höchstens mit Ausnahme der Zölle, deren Einnahmen nach Artikel 66 unmittelbar in die Staats-Centralcasse fließen sollen) und er wird in dieser Be- ziehung lediglich auf das rechtzeitige und gehörige Eingehen der auf die beiden Reichstheile entfallenden Quoten angewiesen sein, ohne daß ihm, falls in dieser Beziehung eine Störung einträte, irgend eine directe Einwirkung möglich wäre, um die Regierung der säumigen Reichshälfte zur Erfüllung der ihr obliegenden Leistung zu nöthigen.

Der Ausgleichsvorschlag, wie wir ihn soeben nach seinen wesentlichsten Hauptumrissen gegeben haben, ist in der That über den Vorwurf der Halbheit erhaben, und verdient vom ungarischen Standpunkte alle Anerkennung, sowohl in Betreff des Zieles, das er ganz klar verfolgt, wie auch in Betreff des bei Verfolgung desselben beobachteten Operationsplanes.

Ersteres ist ganz entschieden dahin gerichtet, unter größtem scheinbaren Entgegenkommen in Beziehung auf Zugeständnisse in den Principien, in Wirklichkeit sich allen jenen Lasten zu entziehen, die Ungarn, in solange es einen Bestandtheil der österreichischen Monarchie bildete, notwendig mit zu tragen hatte, und diese Lasten, das Product einer hundertjährigen bewegten gemeinschaftlichen Geschichte, und welche aus Opfern entspringen, die nicht zum kleinsten Theile gerade im Interesse dieses Landes selbst gebracht wurden, nunmehr, da das Abwerfen derselben auf anderem Wege sich als nicht wohl thunlich darstellt, auf die westliche Hälfte der Monarchie zu überwälzen.

Es konnte den Parteimännern in Ungarn nicht entgehen, daß die Erreichung dieses Zieles, bei dem der Ruin und Zerfall des Staates und die Preisgebung der daran geknüpften Interessen der westlichen Reichshälfte ganz unvermeidbar ist, an dem Widerstande der letzteren und an dem Machteinspruche der Reichsregierung scheitern mußte. Es mußte daher die erstere vorerst mundtodt, die letztere ohnmächtig gemacht werden. Ganz consequent betrieb man daher als nothwendige vorläufige Bedingungen des Ausgleiches die Sistirung des verfassungsmäßigen Lebens in der westlichen Reichshälfte und die sofortige Einsetzung des unabhängigen verantwortlichen ungarischen Ministeriums.

Erstere ist seit anderthalb Jahren erfolgt, und der letzte Rest von verfassungsmäßiger Mitwirkung, wie solche mit den Patenten vom 20. September 1865 und 2. Jänner 1867 der westlichen Reichshälfte gewahrt werden wollte, wird in Folge der neuesten Wandlung der Regierungspolitik gleichfalls in Rauch aufgehen, und die Theilung der Monarchie auf Grund des mit Ungarn einseitig abgemachten Ausgleiches und der damit vollzogenen Aufhebung der Februarverfassung der Vertretung der westlichen Hälfte als vollendete Thatsache verkündet werden.

Der Ernennung des selbstständigen verantwortlichen ungarischen Ministeriums dürfen wir im Zusammenhange damit schon in den nächsten Tagen entgegensehen.


II.

Die Ungarn wußten als praktische Politiker ganz wohl, warum sie die Einsetzung eines unabhängigen verantwortlichen ungarischen Ministeriums als ein vorausgängiges Zugeständnis in Anspruch nahmen und hievon die Annahme des Ausgleichsvorschlages von Seite des ungarischen Landtages abhängig machten.

Ueberblickt man mit unbefangenem Blicke die einzelnen Punktationen des 67er-Ausschusses, so muß man zu dem Resultate gelangen, daß die daraus entspringenden politischen und materiellen Vortheile nur Ungarn zu Statten kommen, und daß das einzige Gegenzugeständniß, nämlich die Antheilnahme an den sogenannten gemeinsamen Lasten des Gesammtstaates, zunächst nur im Princip gemacht und unter allen Umständen von dem Erfolge der zwischen den beiderseitigen Reichstagsdeputationen, rücksichtlich der Beitragsquote zu treffenden Vereinbarung abhängig ist, daß dasselbe ferner im allergünstigsten Falle auf ein Versprechen hinausläuft, dessen Erfüllung unter allen Umständen von der Leistungsfähigkeit und sagen wir es nur gerade heraus, auch von der Leistungswilligkeit des Landes abhängig bleibt. Als im Wiener Frieden Venetien an Italien abgetreten wurde, war man wohl so vorsichtig, das Festungsviereck, in dem unsere siegreichen Fahnen flattirten, nicht früher zu räumen, als bis die von Italien an Oesterreich zu zahlende Entschädigung für den auf Venetien entfallenden Theil der österreichischen Staatsschuld bestimmt und auch deren Leistung entsprechend sichergestellt war.

In Ungarn wird durch die vorausgängige Einsetzung des ungarischen verantwortlichen Ministeriums und durch die Uebergabe der gesammten militärischen und finanziellen Mittel des Landes an dasselbe, das Land militärisch und politisch aufgegeben und geräumt und an die nationale Parteiregierung abgetreten, ohne daß für die fortwährende und getreue Erfüllung der als Gegenzugeständniß in Aussicht gestellten, zur Zeit noch ganz unbestimmten Beitragsquote zu dem gemeinsamen Reichsaufwande irgend eine Garantie gegeben worden wäre.

Wir zweifeln nicht, daß die als Unterhändler zwischen Wien und Pest eingeschrittenen Parteiführer in dieser Beziehung die relativ günstigsten Versicherungen gegeben, ja daß sie es mit diesen Versicherungen für ihre Person auch vollkommen ehrlich gemeint haben. Aber man muß geradezu ein Fremder in Oesterreich sein, man muß die Geschichte des Jahres 1848 völlig vergessen haben oder ignoriren, um sich auch nur einen Augenblick darüber täuschen zu können, welch' gewaltiger Unterschied zwischen diesen von Seite der Parteiführer und Ministercandidaten hier gemachten Versprechen und der Möglichkeit liegt, diesen Versprechungen, sobald man als verantwortliches Ministerium dem ungarischen Landtage gegenübersteht, in letzterem zur Annahme zu verhelfen und die Erfüllung derselben gegenüber den sofort mit Notwendigkeit dagegen auftretenden Parteibestrebungen zu verbürgen.

Die Männer, die bisher unzweifelhaft an der Spitze der nationalen Bewegung standen und dieselbe zu mäßigen im Stande waren, werden, sobald sich das Land im Besitz seiner Unabhängigkeit und von jedem Einflüsse des Wiener Ministeriums befreit weiß, auch dießmal die Erfahrung machen, wie rasch die bisher vertrauensvolle Stimmung umschlägt, und wie der Trieb, den so leicht errungenen Sieg auch bestmöglichst zum eigenen Vortheile auszunützen, über die loyalen Intentionen der bisherigen Parteiführer die Oberhand gewinnt und sie zum Sturze bringt.

Sehen wir aber auch ganz ab von diesem Vorgange, welcher nur mit einer Waffenstreckung und mit der Ergebung auf Gnade und Ungnade verglichen werden kann, worin bestehen die Gegenleistungen, welche Ungarn in dem für uns günstigen Falle auf sich nimmt?

Man anerkennt die Gemeinsamkeit der auswärtigen Angelegenheiten und des dieselben leitenden Ministeriums. (Art. 8.)

Man anerkennt, daß Alles, was die einheitliche Leitung, Führung und innere Organisation des Gesammtheeres und somit auch des ungarischen Heeres als eines Theiles des Gesammtheeres betrifft, der Verfügung Sr. Majestät angehöre, behält sich jedoch das Recht der Recrutenbewilligung, die Feststellung des ganzen Wehrsystems und insbesondere die Dislocirung und Verpflegung des ungarischen Militärs betreffenden Verfügungen, somit auch das nach dem früheren ungarischen Staatsrechte unzweifelhafte Recht vor, daß die ungarischen Regimenter im Lande zu verbleiben haben und außerhalb desselben nur mit specieller Bewilligung des ungarischen Reichstages verwendet werden dürfen. (Art. 11—13.)

Man erklärt sich endlich bereit, zu den Kosten der diplomatischen Vertretung und der Militärverwaltung (ob auch der Flotte — bleibt zweifelhaft) einen besonders zu vereinbarenden jährlichen Beitrag zu leisten (Art. 15 und 17); ferner einen Theil der Staatsschuldenlast, beziehungsweise des Aufwandes für die Verzinsung und Tilgung derselben, zu übernehmen, und zu diesem Zwecke, unabhängig von dem Modus der Ermittelung der vorgedachten Beitragsquote, im Wege vorläufiger Conferenzen mit der westlichen Reichshälfte als freie Nation mit einer freien Nation in Verhandlung zu treten. (Art. 57.)

Das Zugeständniß in Betreff der Gemeinsamkeit der auswärtigen Angelegenheiten ist wohl ein sehr leicht wiegendes und mehr formales, indem jeder Staat, der durch die gesetzlich anerkannte Spaltung in seinem Innern dem Auslande mit gebundenen Händen und Füßen gegenübersteht, wohl überhaupt auf eine Großmachtstellung nicht mehr mit Erfolg Anspruch erheben kann und es da wirklich in der Wesenheit so ziemlich auf Eines hinausläuft, ob die Angelegenheiten beider gesonderten Reichshälften, wie in Schweden und Norwegen durch einen und denselben Gesandten, oder, wie seiner Zeit in England, als die Personalunion zwischen England und Hannover bestand, durch besondere diplomatische Agenten vertreten werden.

Die Einheit des Heereswesens aber beruht sobald der Bestand zweier verantwortlicher Kriegsminister für jede der beiden Reichshälften zugegeben ist, in der That zum größeren Theile auf einer Fiction, die, sobald der ungarische Landtag einmal von seinem durch den Ausgleich anerkannten Rechte, auf das Verbleiben der ungarischen Regimenter im Lande sowie auf die Ernennung von nur Eingebornen zu Officieren in der ungarischen Armee zu dringen Gebrauch machen wird, sich gar bald als solche erweisen dürfte. Wie verhängnißvoll diese Zweitheilung gerade in dem sonst so gesunden Organismus der österreichischen Armee bereits einmal gewirkt hat, ist den Zeitgenossen, welche die Stürme des Jahres 1848 mit erlebten, in zu frischer Erinnerung, als daß wir nöthig hätten, die Gefahren, die hieraus für das österreichische Heer, dieses bewährte Bollwerk des Gesammtstaates, entspringen müssen, und die man im Vertrauen auf die momentan herrschende politische Windstille ganz und gar vergessen zu haben scheint, des Näheren auszuführen.

Zur Beleuchtung des Werthes des dritten Zugeständnisses in Betreff der Uebernahme einer Beitragsquote zu den Kosten des sogenannten gemeinsamen Aufwandes müssen wir einige Ziffern sprechen lassen.

Der Beitrag, mit dem Ungarn nach dem bisherigen Finanzsysteme zu dem öffentlichen Staatsaufwande contribuirte, belief sich, wenn wir die Ziffern des Budgets für das Jahr 1866 zum Anhaltspuncte nehmen, nach Abschlag des Betriebs- und Verwaltungsaufwandes der einzelnen Einnahmszweige auf rund 88 Millionen, wogegen die Leistungen sämmtlicher Länder der westlichen Reichshälfte (nach Ausscheidung der Einnahmen an Couponssteuern und für Veräußerung von Staatsgütern zusammen mit 23.3 Millionen) rund 208 Millionen Gulden betrugen; daher sich das Verhältniß der Beiträge beider Reichshälften ungefähr wie 66.4 : 33.6 stellte.

Nach den Bestimmungen des Ausgleichsprogr[a]mmes würde sich dieser Beitrag auf die Etats der Ministerien des Kriegs und des Aeußern beschränken. Dieselben belaufen sich nach dem Budget für das Jahr 1867 mit Inbegriff des Aufwandes für Rechnung des Vorjahres (von 14 Millionen Gulden) auf 97 Millionen. Die auf Ungarn nach obigem Verhältnisse entfallende Quote würde daher in runder Ziffer betragen: 32 Millionen Gulden.

Das Totalerforderniß nach dem Budget für das Jahr 1867 beläuft sich aber auf

434 Millionen,

beziehungsweise bei Hinzurechnung des Gesammtaufwandes für den Dienst des Vorjahres pr

51 Millionen,

im Ganzen auf

485 Millionen,

und nach Abschlag des Betriebs- und Verwaltungsaufwandes der einzelnen Einnahmszweige pr

102 Millionen.

auf

383 Millionen.

Hievon entfallen auf den Landes-Verwaltungsaufwand:

der westlichen Reichshälfte

66 Millionen,

von Ungarn und dessen Nebenländern

27 Millionen

zusammen

93 Millionen,

daher das Erforderniß für den wirklich gemeinsamen Staatsaufwand (Hofstaat, Staatsschuld,
sammt den Kosten der Creditsoperationen, Armee und Flotte, und diplomatische Vertretung ec.) sich auf

290 Millionen

stellt, an welchem Ungarn nach Obigem mit

32 MIllionen

die Länder der westlichen Hälfte aber mit

258 MIllionen

oder mit nicht weniger als beinahe 89 Percent participiren würden.

Dieses Verhältniß dürfte sich allerdings in dem Maße ändern, als Ungarn sich bereit zeigen wird, auf dem Wege der „internationalen Unterhandlungen" einen Theil der österreichischen Staatsschuld anzuerkennen, beziehungsweise für die Verzinsung und Amortisirung dieses Theiles derselben einen Beitrag zu leisten.

Darüber kann sich nun wohl niemand täuschen, daß, nachdem dieser von Ungarn anzuerkennende Theil der öffentlichen Schuld, wie die Dinge dermal liegen, lediglich von dem Billigkeitsgefühle des ungarischen Landtages abhängt, und in Folge des Ausgleiches und der Gewährung des ungarischen verantwortlichen Finanzministeriums der Reichsregierung alle Mittel zur Ausübung eines Zwanges aus den Händen genommen sind, diese Beitragsquote Ungarns zu dem Aufwande der öffentlichen Schuld sicherlich sehr mäßig ausfallen wird, daß ferner, da die Ermittelung derselben von einer vorausgängigen abgesonderten „internationalen" Verhandlung mit Ungarn abhängig gemacht ist, der ungarische Landtag sich gewiß nicht beeilen wird, diese Frage, welche die Uebernahme einer für Ungarn sehr unwillkommenen Last in sich schließt, besonders zu beschleunigen, daß daher, bis es in dieser Beziehung zu einem definitiven Abschlüsse kommt, die Last der gesammten Verzinsung und Tilgung der öffentlichen Schuld (im Betrage von mehr als 140 Millionen) ausschließlich auf die Länder der westlichen Reichshälfte gewälzt werden wird.

So viel steht unter allen Umständen schon dermal fest, daß der gesammte übrige, mit den Kosten der öffentlichen Schuld auf das Innigste zusammenhängende Kostenaufwand für die in dem Etat der allgemeinen Cassenverwaltung begriffenen Titel (Münz- und Wechselverlust, Provisions- und sonstige Spesen, zusammen mehr als 10 Millionen) alle Leistungen aus dem Titel der Staatssubventionen und Dotationen an Industrie-Un[t]ernehmungen und passive Grundentlastungsfonde, endlich die ganze Last des Civil-Pensionsetats (über 12 Millionen), da der Ausgleichsvorschlag dieselben als gemeinsame Angelegenheiten nicht anerkennt, zunächst allein von den Ländern der westlichen Reichshälfte würde getragen werden müssen.

Hiebei muß noch insbesondere ein weiterer Umstand hervorgehoben werden, durch welchen der Antheil, den Ungarn und die Länder der westlichen Hälfte nach dem ungarischen Ausgleichsprogramme an den gemeinsamen Lasten zu tragen haben werden, gar wesentlich zum Nachtheile der letzteren sich gestalten muß.

Ungarischer Seits wird die Beitragsquote unter allen Umständen nach den Ziffern bemessen, mit welchen der als gemeinsam anerkannte Aufwand im jährlichen Budget eingestellt und durch das Finanzgesetz genehmigt ist. Nun ist es eine bekannte Thatsache, daß die fraglichen Etats und namentlich jener des Kriegsministeriums für die während des Laufes des Jahres hinzugekommenen nicht präliminirten Ausgaben bisher häufig nicht ausreichten, sondern mehr oder minder bedeutende Ueberschreitungen dieser Etats statt fanden.

Wir sprechen hiebei nicht von den gelegentlichen, ganz gegen das Votum der Reichsvertretung unternommenen Kriegsrüstungen oder Kriegsführungen, wie insbesondere in den Jahren 1863 und 1864 aus Anlaß des schleswig-holstein'schen Feldzuges, sondern von jenen außerordentlichen Kosten, welche auch im tiefen Frieden nicht selten vorkommen, und wofür im Budget nicht mit einem Gulden vorgesehen war, wie z. B. die Kosten der Befestigung von Wien im Umkreise von zehn Quadratmeilen mit 42 detachirten befestigten Forts, deren Kosten dem Vernehmen nach mit nicht weniger als 28 Millionen veranschlagt sind und an deren Ausführung so eben gegangen wird, obgleich daß dafür im Finanzgesetze für das laufende Jahr das Geringste präliminirt worden ist.

Woher werden nun wohl, wenn der Ausgleich einmal auf der vorgeschlagenen Basis zu Stande gebracht sein wird, für diese und ähnliche extraordinäre Ausgaben die Geldmittel genommen werden? Von Ungarn sicherlich nicht, indem der ungarische Finanzminister gar nicht berechtigt wäre, über die durch das Jahresbudget bestimmte Quote hinaus irgend einen weiteren Beitrag zu leisten.

Die Beschaffung der dazu erforderlichen Geldmittel im Wege von Creditsoperationen wird auch seine Schwierigkeit haben, da man ja auf vollkommen constitutionelle Bahnen einlenken will, welche eine Vermehrung der öffentlichen Schuld auf solchem Wege unmöglich machen, und überdies Ungarn nach Artikel 59 des Ausgleichsprogrammes ausdrücklich erklärt, alle ohne specielle Zustimmung des ungarischen Landtages weiterhin zu contrahirenden Schulden als Ungarn nicht verpflichtend zu erkennen. Was wird also in derlei Fällen übrig bleiben, als die Steuerkraft und die Einnahmen der westlichen Reichshälfte, welche nicht so glücklich ist, ihren Beitrag zu den gemeinsamen Ausgaben auf eine ziffermäßig bestimmte Quote beschränken zu können, sondern wegen der Vermengung der Centralcasse der westlichen Reichshälfte mit der sogenannten Reichscasse unaufhörlich davon bedroht ist, für den jeweiligen Abgang der Zahlungsmittel in letzterer in unbegränztem Maße in Anspruch genommen zu werden?

Man sieht hieraus, wie sich die Bilanz dieses Ausgleiches für die cis- und transleithanische Hälfte des Reiches stellt, und wird nunmehr begreiflich finden, warum auf die Abmachung dieses Ausgleiches ohne vorläufige Zustimmung der Vertretung der westlichen Hälfte, und auf die vorausgängige Bewilligung des verantwortlichen ungarischen Ministeriums als Bedingung der Annahme des Ausgleichs im ungarischen Landtage ein so entschiedendes Gewicht gelegt wird.


III.

Nachdem wir nunmehr die Folgen und Chancen erörtert haben, die aus dem beabsichtigten Ausgleiche mit Notwendigkeit für die Länder der westlichen Reichshälfte entspringen müssen, wollen wir einen kurzen Blick auf die Lage werfen, in der sich in Folge des Ausgleiches die eigentliche Centralgewalt des Reiches befinden wird.

Der Gegenstand läßt sich mit wenigen Worten erschöpfen. Es ist die absolute Machtlosigkeit des Gesammtreiches, die mit Nothwendigkeit aus dieser Zweitheilung entspringen muß.

Die Reichscentralgewalt wird hienach in Hinkunft nur durch zwei Ressort- ministerien vertreten sein, durch den Reichsminister der auswärtigen Angelegenheiten und durch den Reichsfinanzminister. Alle übrigen Zweige der Regierungsgewalt werden für jede der beiden Reichshälften durch abgesonderte, unter sich coordinirte und von einander ganz unabhängige Ministerien verwaltet werden.

Von der künftigen Bedeutung des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten haben wir bereits oben gesprochen und es genügt hier darauf einfach zu verweisen. Ohne unmittelbare Disposition über das gesammte Heereswesen und über die gemeinsamen Finanzen kann die Bewegung dieses Ministeriums nothwendig nur die eines Halbgelähmten sein, der mit dem linken Fuße (der westlichen Reichshälfte) sich schwer fortbewegt und den rechten (Ungarn) mühsam nachschleppt, wo daher der ganze Kraftaufwand, welchen der rechte Fuß versagt, von dem linken geleistet werden muß. Von einer kräftigen Action auf dem Gebiete der äußeren Politik kann wohl bei solch' einer gebrechlichen Constitution nimmermehr die Rede sein.

Noch kläglicher dürfte aber nach dem Ausgleiche das Los des künftigen Reichsfinanzministers sich gestalten.

Seine Lage wird wahrlich eine hilfslosere sein als jene des Centralexecutivorgans in irgend einem der übrigen derzeit bestehenden Bundesstaaten, welchem in den der Centralgewalt vorbehaltenen Angelegenheiten allenthalben eine unmittelbare Executive zusteht, wahrend eine solche dem österr. Reichsfinanzminister ganz und gar mangeln wird.

Ihm wird die Pflicht obliegen, den Aufwand zu bestreiten, welchen der Dienst des Ministeriums des Auswärtigen, der Armee und Flotte, und wie wir annehmen dürfen, auch die Verzinsung und Tilgung des als gemeinschaftlich anerkannten Theiles der Staatsschuld erfordern. Unmittelbare Einnahmen, etwa mit Ausnahme der Zölle, deren Ertrag aber gegen die kolossalen Ziffern seines Ausgabsbudgets ganz verschwindet, stehen ihm nicht zu Gebote. Er ist, um die ihm obliegenden Zahlungen leisten zu können, lediglich auf die Beitragsquoten angewiesen, die ihm von Seite der Finanzminister der beiden Reichshälften zukommen sollen.

Wie nun aber, wenn die eine oder andere Reichshälfte mit diesen Beitrags-Quoten zeitweise im Rückstande bleibt?

Und doch liegen gewiß genügende Gründe zur Besorgniß vor, daß selbst in dem Falle, wenn der Pakt über die von Ungarn zu übernehmende Beitrags-Quote zum gemeinsamen Aufwande in einer allen Rücksichten der Billigkeit entsprechenden Weise zu Stande kommen sollte, die wirkliche Leistung von Seite des ungarischen Finanz-Ministeriums mit der eingegangenen Verpflichtung nicht immer gleichen Schritt halten, sondern, wie dieß ja schon bisher ungeachtet aller Thätigkeit der vom Wiener Finanz-Ministerium unmittelbar abhängigen Organe häufig genug geschehen, Ungarn damit im Rückstande bleiben werde. Wer wird in solchem Falle die Lücken füllen, die das Ausbleiben der ungarischen Rimessen in der Casse des Reichsfinanz-Ministers zur Folge haben wird, aus der doch die Dotirung des gesammten gemeinsamen Aufwandes bestritten werden muß?

Vom Finanz-Minister der westlichen Hälfte kann er nach dem in Hinkunft auch für diese Hälfte beabsichtigten constitutionellen System ebensowenig eine Aushilfe erwarten, als es ihm möglich sein wird, sich in derlei Fällen, wie bisher, durch zeitweise Erhöhung der schwebenden Schuld zu helfen, indem Ungarn ja auf Grund der Bestimmung des Artikels 59 des Ausgleiches, die Giltigkeit einer solchen, wenn auch durch dessen eigene Schuld veranlaßten, Schuldcontrahirung ablehnen wird.

Bei dem Mangel aller dem Reichsfinanz-Minister unmittelbar zur Verfügung stehenden Einnahmsquellen, mit Hilfe welcher derlei zeitweise Störungen bisher ohne große Schwierigkeit überwunden werden konnten, läßt sich schon jetzt daß Eintreten jener finanziellen Katastrophe mit Bestimmtheit vorhersehen, die bei solcher Anordnung der Gewalten und bei dieser organisirten Machtlosigkeit der Centralgewalt nur eine Frage der Zeit sein kann.

Aber auch in einer anderen Beziehung ist der Wirkungskreis des Reichs- Finanzministers durch die Bestimmungen des Ausgleichsprogrammes dermaßen be- schränkt, daß die in Folge dessen drohenden schwerwiegendsten Folgen für die Finanzen des Staates und für die materielle Zukunft aller Theile des Reiches schon jetzt ins Auge gefaßt werden müssen.

Von jeher und auch zu jener Zeit, als Ungarn bis zum Jahre 1848 sich noch in dem ungeschmälerten Genüsse seiner avitischen Verfassung befand, war die gesammte Gesetzgebung in Betreff des Geld-, Credits-, Münz- und Zettelbankwesens bei der in Wien befindlichen obersten Leitung des Finanzwesens concentirt und es bildet die Einheit und allgemeine Giltigkeit der Einrichtungen zur Regelung des Geldumlaufes und insbesondere rücksichtlich des der österreichischen Nationalbank für den ganzen Umfang der Monarchie ertheilten ausschließlichen Privilegiums zur Ausgabe von Papiergeld die wesentlichste Basis für den gesammten Güterverkehr des Reiches und eines der wichtigsten Bande, durch das die materiellen Interessen der einzelnen Theile und so auch jene Ungarns mit jenen der westlichen Reichshälfte auf das Innigste verbunden waren.

Jede Aenderung an der dießfalls bestehenden einheitlichen Gesetzgebung und jeder Versuch, das Verkehrsgebiet für das dermal bestehende gemeinschaftliche Circulationsmedium zu beschränken oder demselben durch Gestattung der Emission eines besonderen Staats- oder Bankpapiergeldes in den Ländern der ungarischen Krone eine Concurrenz zu bereiten, wie dieses einem alten Lieblingsplane der ungarischen Nationalpartei entspricht, müßte, wie wir dieses ja bereits einmal, wenn auch nur für ganz kurze Zeit erlebt haben, mit Nothwendigkeit für den gesammten Geldverkehr des Reiches die fürchterlichsten und unheilvollsten Störungen zur Folge haben und selbst die ganze Finanzwirthschaft des Staates mit unberechenbaren Gefahren bedrohen. In gewiß richtiger Erkenntniß dessen hatte auch das a. h. Diplom vom 20. October 1860 und übereinstimmend damit das Patent vom 26. Februar 1861 im §. 10 alle Angelegenheiten, welche die Regelung des Geld-, Credits-, Münz- und Zettelbankwesens betrifft, unter die Garantie der allgemeinen Reichsgesetzgebung gestellt und der beschließenden Mitwirkung des für alle Länder des Gesammtreiches berechneten weiteren Reichsrathes vorbehalten.

In dem Ausgleichsprogramme, wie uns dasselbe in der im Einverständnisse mit der dießseitigen Regierung amendirten Form vorliegt, suchen wir aber vergeblich nach einer Bestimmung, durch welche Sonderbestrebungen auf diesem Gebiete ein Damm gezogen und dem Reichsfinanzminister in dieser Beziehung ein wirksamer und maßgebender Einfluß gesichert wäre. Das Ausgleichsprogramm anerkennt im Art. 68 lediglich die Nothwendigkeit, daß sowohl das Münzwesen wie auch der Geldfuß in allen Ländern Oesterreichs, mit welchen Ungarn einen „Zollbund" zu schließen gedenkt, gleich seien und Aenderuugen hierin nur im gegenseitigen Einvernehmen beider Ministerien und unter Gutheißung beider Reichstage stattfinden; es schließt daher die Möglichkeit einer selbstständigen ungarischen Gesetzgebung auf dem Gebiete des Zettelbankwesens in gar keiner Weise aus, und ist selbst weit davon entfernt, den projectirten Delegationen, diesem Zerrbilde einer wirklichen gemeinsamen Reichsvertretung, in dieser Beziehung irgend einen Einfluß zu wahren.

In ganz ähnlicher Weise ist es auch bestellt mit allen Angelegenheiten der indirecten Besteuerung und der Verwaltung der Staatsmonopole, rücksichtlich welcher für den ungarischen Finanzminister eine vollkommen selbstständige Stellung in Anspruch genommen und nur das Zugeständniß gemacht ist, daß aus Anlaß des mit den Ländern diesseits der Leitha abzuschließenden „Zoll- und Handelsbündnisses" auch solche Normen vereinbart werden „können", welche die Möglichkeit ausschließen, daß die eine Legislative oder die eine verantwortliche Regierung Maßregeln treffe, welche eine Verkürzung des Einkommens des anderen Theiles nach sich ziehen könnten. (Art. 19. und 65.)

Das Ertragniß aller Zweige der indirecten Steuern und Monopole, beziehungsweise die Last, mit der die diesfalls bestehende Gesetzgebung auf den einzelnen Steuerpflichtigen und Industriezweigen drückt, dependirt nun nicht von den Bestimmungen der Gesetzgebung allein, sondern fast in noch höherem Grade von der Art und Weise, in der das Gesetz gehandhabt wird.

Berücksichtigt man nun die Abneigung, die gerade gegen diesen Theil der nach Ungarn importirten österreichischen Gesetzgebung in den weitesten Kreisen in Ungarn besteht, und erwägt man die Abhängigkeit, in der sich die zur Bemessung und Einhebung dieser Steuern verpflichteten Organe, insbesondere in Ungarn, den Steuerpflichtigen als ihren Wählern gegenüber befinden, so wird man sich wohl darüber nicht täuschen können, daß mit dem Augenblicke, wo die österreichische Finanzverwaltung in Ungarn ein Ende nimmt und in die Hände des verantwortlichen ungarischen Finanzministeriums übergeht, der Charakter dieser Besteuerung mit Nothwendigkeit einer so wesentlichen Veränderung entgegengeht, daß die Gleichheit der Besteuerung der Angehörigen der „zollverbündeten" Länder diesseits und jenseits der Laitha in kurzer Frist zu einer leeren Phrase herabsinken und die Nothwendigkeit herantreten wird, im Interesse der diesseitigen Industrie zu dem unvermeidlichen Mittel von Ausgleichszöllen schreiten zu müssen. Allen diesen sich vorbereitenden Eventualitäten, wie sehr dieselben auch angethan sind, die nachtheiligsten Rückwirkungen auf die Finanzen und auf den materiellen Wohlstand der westlichen Reichshälfte zu üben, wird der Reichsfinanzminister machtlos gegenüberstehen, und es den Ministerien und beziehungsweise den Vertretungen der beiden Reichshälften über- lassen müssen, im Wege des „internationalen Verkehres" einem vollständigen Bruche zwischen denselben vorzubeugen.


IV.

Der Ausgleich mit Ungarn ist von allen Parteien diesseits und jenseits der Laitha insbesondere deshalb heiß ersehnt worden, weil man der Ueberzeugung war, daß nur von einer glücklichen und den Interessen beider Theile gleichmäßig zusagenden Beilegung des seit Jahren bestehenden Verfassungsconflictes die Entwickelung eines gesunden, wahrhaft constitutionellen Lebens für die beiderseitigen Reichshälften erwartet werden könne.

Auf ungarischer Seite glaubt man noch jetzt, sich dieses goldene Ziel von dem Ausgleiche auf Grundlage des Programmes der 67er-Commission versprechen zu können.

Wir bedauern lebhaft, diese Hoffnung nicht theilen zu können, glauben vielmehr die volle und begründete Ueberzeugung aussprechen zu müssen, daß von einer Abmachung auf Grundlage des vorliegenden, von der österreichischen Regierung im Principe angenommenen, Programmes die Entwickelung eines Dauer und Erfolg versprechenden Constitutionalismus nun und nimmer erwartet werden kann, und zwar ebenso wenig für die Länder diesseits der Laitha, wie auch für Ungarn.

Soll das constitutionelle Leben sich in einem Lande gesund und kräftig entfalten, sollen der Nation daraus insbesondere jene Vortheile zu Theil werden, die wir uns in Oesterreich davon versprechen, so muß als erste und unabweisliche Bedingung gelten, daß sich die Volksvertretung, die zur beschließenden Mitwirkung an dem freiheitlichen Aufbau des Staates, an der Gründung der nothwendigen Institutionen zum Schutze und zur dauernden Begründung des materiellen, geistigen und politischen Fortschrittes berufen ist, sich im Besitze der vollen und uneingeschränkten Competenz zur Lösung aller jener Fragen befinde, von denen die Erreichung dieses Zieles abhängt. Auf keinem Gebiete tritt aber das Bedürfniß nach einheitlicher und concentrirter Behandlung der einschlägigen Fragen klarer und unabweislicher hervor, als auf jenem der volkswirthschaftlichen und finanziellen Interessen, und auch hier wieder stehen die Ordnung unserer im Innersten zerrütteten Finanzen und die Herstellung des Gleichgewichtes im Staatshaushalte unter allen Aufgaben, welche der Volksvertretung zufallen, in vorderster Reihe, indem erst dann, wenn hiefür eine solide Grundlage gewonnen ist, an eine, den berechtigten Wünschen des Volkes entsprechende Verbesserung der übrigen politischen und materiellen Zustände mit Erfolg gegangen werden kann.

Das Budgetrecht, nämlich das Recht, über die Verwendung der Staatsgelder zu beschließen, die Mittel zur Bedeckung des Staatsaufwandes zu bestimmen und deren Verwendung wirksam zu controliren, dieses erste und wichtigste Recht der Volksvertretung in einem constitutionellen Staate, kann, wie die Geschichte aller Staaten lehrt, nur in Verbindung mit dem Gesetzgebungsrechte mit Erfolg ausgeübt werden.

Nach den Grundsätzen, welche das ungarische Ausgleichsprogramm verfolgt, ist dasselbe jedoch in einer Weise getheilt und zerrissen, daß es hiernach in seiner Ausübung mit Notwendigkeit zu einer Fiction herabsinken und.ganz erfolglos werden muß.

Dem Programme gemäß wären die, mindestens drei Viertheile des Gesammterfordernisses bildenden Kosten, der sogenannten gemeinsamen Angelegengenheiten, nämlich jene der diplomatischen Vertretung, des Heeres und der Flotte (und eventuel jene der Staatsschuld?) von den Delegationen der beiden Reichstage zu bestimmen, welchen jedoch über die Mittel und Wege zur Bedeckung dieses gemeinsamen Aufwandes gar keine Competenz zusteht, die vielmehr, ohne irgend einen Einfluß auf die Gesetzgebung, diese Sorge ganz einfach den Vertretungen der beiden Reichshälften überlassen. Letztere wieder, im ausschließlichen Besitze des Gesetzgebungs- und Steuerbewilligungsrechtes, werden bei ihrem Streben, den Zustand des Staatshaushaltes und des gesammten Steuerwesens in der sie betreffenden Reichshälfte zu ordnen, stets in Folge des von den Delegationen votirten gesammtstaatlichen Budgets einer die Steuerkraft der beiden Reichshälften fast bis zur Neige erschöpfenden Anforderung gegenüberstehen, die sie, ohne jede Discussion, einfach in das Ausgabenbudget ihrer Reichshälfte einstellen müssen. Ihre beschließende Mitwirkung wird sich daher lediglich auf die Votirung des speciellen Aufwandes für den Dienst der bezüglichen Reichshälfte beschränken, für dessen Bedeckung ihnen aber, insoferne durch die Beschlüsse der Delegationen über den gemeinsamen Aufwand bereits vorgegriffen wurde, entsprechend zu sorgen ganz unmöglich fallen wird.

Ein solche Trennung des Gesetzgebungs- und des Geldbewilligungsrechtes und die Vertheilung dieser zwei unter sich organisch verbundenen Functionen unter zweierlei mit einander in gar keinem Verbande stehenden politischen Körperschaften trägt, mit Nothwendigkeit den Keim des Zerfalls oder unaufhörlicher Conflicte und Reibungen in sich, unter denen die Consistenz des Staates und die vitalsten Interessen der einzelnen Staatstheile zum Opfer fallen müssen.

Von einer fruchtbaren, erfolgreichen Thätigkeit der Reichstage der einzelnen Reichshälften, namentlich in der hier zunächst vor Augen gehaltenen Richtung, kann bei einem so unnatürlichen Organismus wohl nimmer die Rede sein.

Wo möglich noch ärger und absolut unhaltbar wird aber die Stellung der beiden einzelnen Reichstage rücksichtlich jener zahlreichen, für die volkswirthschaftliche Entwicklung und für die Staatsfinanzen so überaus wichtigen Fragen sich gestalten, welche nach dem §. 10 des Februarpatentes bisher den Beschlüssen des weiteren Reichsrathes vorbehalten waren, wie namentlich die Angelegenheiten zur Regelung des Geld-, Credits-, Münz- und Bankwesens, die Reformen der indirecten Besteuerung, die Gegenstände der Zoll- und Handelsgesetzgebung, dann alle Angelegenheiten in Betreff der gemeinschaftlichen Staatsschuld, rücksichtlich deren das ungarische Ausgleichsprogramm allerdings das Bedürfniß einer gleichen Gesetzgebung anerkennt, aber nichts destoweniger eine gemeinschaftliche Behandlung unbedingt zurückweiset. Nachdem dem Programme gemäß keine der beiden Reichshälften in diesen Dingen einseitig vorgehen kann, sondern zu jeder Aenderung der diesfälligen Gesetzgebung oder deren Handhabung das Einvernehmen beider Reichstage erforderlich ist, so wird in allen solchen Fragen mit nicht weniger als vier legislativen Factoren, nämlich mit dem österreichischen und ungarischen Abgeordnetenhause, mit dem österreichischen Herrenhause und mit der ungarischen Magnatentafel zu unterhandeln sein und wir werden uns somit in Österreich im Besitz eines Vierkammersystems, eines wahren Unicums auf dem Gebiete der Experimentalpolitik, befinden.

Daß ein so complicirter, in sich stets gespaltener, sich gegenseitig lähmender, schwerfälliger Organismus die Riesenaufgabe, die der österreichischen Volksvertretung insbesondere in diesem Augenblicke einer immer näher herantretenden allgemeinen europäischen Krise zufällt, unbedingt zu erfüllen nicht im Stande ist, bedarf nach dem Gesagten wohl keiner weiteren Ausführung.

Was aber haben wir, falls dieser letzte Versuch, wie jedem einigermaßen Einsichtsvollen nicht zweifelhaft sein wird, scheitert, zu erwarten, als die Erklärung der Incompatibilität des constitutionellen Regimes wegen der anormalen Zustände Oesterreichs und die Rückkehr zu einem unverblümten, den Staat zu Grunde richtenden Absolutismus!

Fassen wir zum Schlüsse noch einmal die im Vorausgehenden im Einzelnen erörterten Folgen zusammen, die wir von dem Ausgleiche auf Grund des Programmes der 67er Commission für den Gesammtstaat und für die westliche Reichshälfte insbesondere zu gewärtigen haben.

Dieselben formuliren sich kurz wie folgt:

Spaltung und Lähmung der Reichsgewalt,

Desorganisation der Finanzen,

Ueberlastung der westlichen Reichshälfte mit dem von Ungarn nicht übernommenen Antheile an dem gemeinsamen Aufwande,

Verkümmerung und völlige Bedeutungslosigkeit des constitutionellen Lebens in den Ländern diesseits und jenseits der Laitha.

Und was das Aergste, — es handelt sich, nachdem Ungarn durch die Einsetzung des verantwortlichen ungarischen Ministeriums demnächst in den factischen Besitz seiner vollen nationalen Selbstständigkeit gelangt sein wird, nicht mehr blos um einen Gegenstand entfernter Besorgnisse, sondern um die unvermeidlichen Folgen einer so gut wie bereits vollendeten Thatsache.

Der demnächst zusammentretende österreichische Reichsrath, dem dieses Ergebniß wird vorgelegt werden, steht rücksichtlich seines hierüber zu fassenden Beschlusses vor einer schweren Wahl voll unberechenbarer Folgen, nämlich vor der Alternative:

Ob annehmen oder ablehnen?

Durch die Annahme beteiligt er sich an der Verantwortung für alle jene Folgen, die wir als die Früchte des Ausgleiches auf der von Ungarn proponirten Basis kennzeichnen mußten. Ohne dadurch den Frieden und die Macht des Reiches herzustellen, gibt er damit das Schicksal der westlichen Reichshälfte mit Notwendigkeit einer ganz unvermeidlichen Ueberbürdung und dem politischen wie materiellen Verfalle Preis.

Im Falle der Ablehnung aber bliebe ihm kein anderes Mittel, als Ungarn, das bereits im Besitze der vollen staatlichen Selbstständigkeit der westlichen Hälfte gegenübersteht, mit Gewalt zum Verbleiben im bisherigen Verbande zu nöthigen.

Der erstere Weg führt mit Notwendigkeit zum materiellen und finanziellen Ruin, der letztere zum Bürgerkrieg!

Weder das Eine, noch das Andere kann die Aufgabe des Reichsrathes sein.

Für ihn bleibt, wie die Dinge dermal stehen, nur noch ein einziger möglicher Weg übrig, durch den der bundesfreundliche Verband mit Ungarn erhalten, und anderseits die deutsch-slavische Reichshälfte vor den Folgen, mit denen sie der von Ungarn angesonnene Löwenvertrag bedroht, bewahrt bleibt, der Uebergang, unter proportionaler und wirklicher Theilung der Staatsschuld, zur vollen, zur reinenPersonalunion!


ANHANG:
Das Elaborat der Siebenundsechziger Commission
über die gemeinsamen Angelegenheiten

I. Das Band, welches einerseits zwischen den Ländern der ungarischen Krone, anderseits zwischen den übrigen Ländern und Provinzen Sr. Majestät rechtlich besteht, beruht auf der Pragmatischen Sanction.

2. Dieser feierliche Grundvertrag stellte das Thronfolgerecht der weiblichen Linie des Habsburger Hauses fest, sprach es aber zugleich aus, daß die Länder und Provinzen, welche der festgestellten Thronfolge gemäß unter einem gemeinsamen Herrscher stehen, einen untheilbaren und unzertrennlichen gemeinsamen Besitz bilden. — Diesem entschieden ausgesprochenen Principe zufolge ist die gemeinsame Sicherheit und die Vertheidigung und Aufrechthaltung derselben mit gemeinsamen Kräften eine solch gemeinsame und wechselseitige Verpflichtung, welche direct aus der Pragmatischen Sanction entspringt.

3. Bei dieser festgestellten Verpflichtung setzte die Pragmatische Sanction auch die Bedingung fest, daß die constitutionelle, staatsrechtliche und administrative Selbständigkeit Ungarns unversehrt aufrecht erhalten werde.

4. Diese zwei Grund-Ideen müssen wir somit gleichermaßen bei Bestimmung jener Verhältnisse in Betracht ziehen, welche Ungarn gemeinsam mit den übrigen unter der Regierung des gemeinsamen Fürsten stehenden Ländern betreffen. Und so wie Ungarn einerseits in der Vergangenheit bereit war und auch in Zukunft zur Erfüllung all' dessen bereit sein wird, was nach der Pragmatischen Sanction die Vertheidigung und Aufrechthaltung der gemeinsamen Sicherheit durch vereinte Kräfte unumgänglich erfordert, ebenso kann es anderseits solche Verpflichtungen, welche sich über dieses Ziel hinaus erstrecken und zu dessen Erreichung nicht unumgänglich nothwendig sind, nicht auf sich nehmen.

5. Ehedem verfügten in Betreff Ungarns bezüglich all' dessen, was sich auf die erwähnten Verhältnisse bezieht, der ungarische Reichstag und der ungarische König, in gemeinsamer Uebereinstimmung und bei Feststellung dieser Verfügungen hatte kein anderes Land Einfluß; denn der ungarische König, als absoluter Fürst der übrigen unter seiner Herrschaft stehenden Länder, verfügte über die Interessen und Angelegenheiten jener Länder mit absoluter Macht. — Jetzt änderte sich jedoch, der Allerhöchsten Thronrede zufolge, die Lage wesentlich dadurch, daß Se. Majestät „auch seine übrigen Länder mit constitutionellen Rechten bekleidete", dieselben mit absoluter Gewalt somit nicht mehr vertreten und deren constitutionellen Einfluß nicht beseitigen kann. Auch unser gegenwärtiger Reichstag erklärte es in seiner Adresse, daß er dies beachten werde.

6. Das Subcomité sah diese Gesichtspunkte für maßgebend an, indem es seinem Auftrage gemäß die Hauptprincipien, welche seiner Meinung nach zur Grundlage bei Feststellung der gemeinsamen Verhältnisse dienen, bezeichnet, und diesen Principien gemäß den Entwurf des anzufertigenden Vorschlages zusammenstellt. — Diesbezüglich ist somit die Pragmatische Sanction ihr Ausgangspunkt, welche sowohl Se. Majestät in der Allerhöchsten Thronrede, als der Reichstag in seinen wiederholten Adressen als gemeinsam anerkannten Ausgangspunkt bezeichneten.

7. Der Pragmatischen Sanction gemäß ist der Herrscher wohl gemeinsam, insofern auch die Krone Ungarns demselben Fürsten, welcher in den übrigen Ländern regiert, zukommt; doch macht dieses noch nicht nothwendig, daß das Budget des fürstlichen Hofhaltes gemeinsam festgestellt werde. — Eine solche gemeinsame Feststellung erfordert das in der Pragmatischen Sanction bezeichnete Ziel nicht; mit der constitutionellen Selbstständigkeit Ungarns und dem fürstlichen Ansehen des ungarischen Königs ist es vielmehr vereinbarlich, daß der ungarische Reichstag auf die Vorlage des verantwortlichen ungarischen Ministeriums die Hofhaltungskosten des ungarischen Königs gesondert votire. Für die übrigen Länder Sr. Majestät erwächst hieraus weder ein Schaden noch eine Rechtsverletzung. Die Votirung und Ausfolgung der Hofhaltungskosten können wir somit für keine gemeinsame Angelegenheit ansehen.

8. Ein aus der Pragmatischen Sanction erfließendes Mittel der gemeinsamen Verteidigung ist die zweckmäßige Leitung der auswärtigen Angelegenheiten. Diese zweckmäßige Leitung erfordert Gemeinsamkeit bezüglich jener gemeinsamen Angelegenheiten, welche die unter der Herrschaft Sr. Majestät stehenden gesammten Länder gemeinsam betreffen. Diese auswärtigen Angelegenheiten erkennen auch wir somit als gemeinsam an und sind bereit, zu deren gemeinsam zu bestimmenden Kosten nach jener Proportion beizutragen, welche auf die in den weiter unten folgenden 20., 21. und 24. alineas präcisirte Weise festgestellt wird.

9. Ein zweites Mittel der gemeinsamen Vertheidigung ist das Kriegsheer und die hierauf bezüglichen Verfügungen, kurz die Angelegenheiten des Krieges.

10. Mit Inbetrachtnahme all' dessen, was wir bereits oben, insbesondere in alinea 5, gesagt, glauben wir in Betreff der Gemeinsamkeit der Kriegsangelegenheiten nachstehende Principien feststellen zu müssen.

11. In Folge der constitutionellen Rechte Sr. Majestät im Bereiche der Kriegsangelegenheiten wird all' das, was auf die einheitliche Leitung, Führung und innere Organisation des Gesammtheeres, und somit auch des ungarischen Heeres, als eines ergänzenden Theiles des Gesammtheeres, Bezug hat, als der Verfügung Sr. Majestät angehörend anerkannt.

12. Das Recht der zeitweisen Ergänzung des ungarischen Kriegsheeres und der Recruten-Bewilligung, die Bestimmung der Bewilligungs-Modalitäten (megajánlás föltéleleinek) und der Dienstzeit, ebenso die die Dislocirung und Verpflegung des Militärs betreffenden Verfügungen behält das Land im Sinne unserer bisherigen Gesetze sich selbst vor.

13. Ferner erklärt das Land, daß die Feststellung des Wehrsystems oder seine Umgestaltung in Betreff Ungarns jederzeit nur mit Einwilligung der ungarischen Legislative stattfinden kann.
Nachdem indeß eine solche Feststellung, gleichwie die spätere Umgestaltung, nur nach gleichartigen Principien zweckmäßig durchzuführen ist, demzufolge wird in jedem solchen Falle nach vorangegangener Vereinbarung zwischen beiden Ministerien ein von gleichen Principien ausgehender Entwurf beiden Gesetzgebungen unterbreitet werden. Zur Ausgleichung der etwa in den Anschauungen der Legislationen auftauchenden Unterschiede werden die beiden Legislationen mit einander durch Deputationen in Berührung treten.

14. Ueber alle jene ungarischen Civil-Verhältnisse, Rechte und Pflichtungen der einzelnen Mitglieder des ungarischen Kriegsheeres, welche sich nicht auf den Militärdienst beziehen, wird die ungarische Legislative, respective die ungarische Administrative, verfügen.

15. Sämmtliche Kosten der Kriegsangelegenheiten sind derart gemeinsam, daß die Proportion, der gemäß Ungarn zu diesen Kosten beitragen wird, nach einer in den alineas 20, 21, 22, 23 und 24 präcisirten vorausgehenden Berathung im Wege einer wechselseitigen Vereinbarung festgestellt werden.

16. (Dieses alinea des Fünfzehner-Elaborats ist in Folge Commissions-Beschlusses weggefallen.)

17. Die Finanz-Angelegenheiten wünschen wir insoweit als gemeinsam anzusehen, als die Kosten gemeinsam sein werden, welche auf die in Obigem als gemeinsam anerkannten Gegenstände zu verwenden sind. Dies verstehen wir jedoch so, daß die zu den erwähnten Gegenständen erforderlichen Gesammtkosten auf die Weise gemeinsam bestimmt werden mögen, welche in den über die Manipulation handelnden weiteren alineas angegeben wird. Ueber die Auswerfung, Eintreibung der Summe, welche von diesen Kosten der in den folgenden zwanzig bis vierundzwanzig alineas präcisirten Proportion gemäß auf Ungarn entfällt, sowie über die Ablieferung dieser Summe an die competente Stelle haben indessen der Reichstag und das verantwortliche Ministerium Ungarns dergestalt zu verfügen, wie dies die von der Manipulation handelnden nachfolgenden alineas feststellen.

18. Sämmtliche sonstigen Staatsbedürfnisse Ungarns wird auf Vorlage des ungarischen verantwortlichen Ministeriums der Reichstag auf constitutionellem Wege bestimmen. Dieselben sowie überhaupt alle Steuern wird das ungarische Ministerium mit gänzlicher Ausschließung jedes fremden Einflusses unter eigener Verantwortlichkeit auswerfen, eintreiben und manipuliren.

19. Was jedoch die indirecten Steuern betrifft, so ist, nachdem es, im Falle beide Theile es jetzt oder für die Zukunft für zweckmäßig erachten, daß zwischen den einzelnen Ländern keine Zwischenzoll-Schranken und Cordonlinien errichtet werden mögen, geschehen könnte, daß durch die Beschlüsse des einen Theiles die einschlägigen Einkünfte des zweiten Theiles zunichte gemacht würden — der ungarische Reichstag bereit, durch eine mit dem zweiten Theile von Zeit zu Zeit abzuschließende Vereinbarung solche Principien festzustellen, welche dieser Eventualität begegnen.

20. Dies sind die Gegenstände, deren oberwähnte Gemeinsamkeit, als aus der Pragmatischen Sanction erfließend, angesehen werden kann. Erfolgt in Bezug auf diese mit Uebereinstimmung beider Theile die Feststellung, so muß die Proportion durch einen wechselseitigen Pact im vorhinein bestimmt werden, dem zufolge die Länder der ungarischen Krone die Lasten und Kosten der gemäß der Pragmatischen Sanction als gemeinsam anerkannten Angelegenheiten tragen werden.

21. Dieser Pact und diese Feststellung kann dergestalt erfolgen, daß einerseits die Vertretung der Länder der ungarischen Krone, andererseits die Vertretung (gyülése) der übrigen Länder Sr. Majestät jede von ihrer Seite eine gleich große Deputation wählen. Diese zwei Deputationen werden bei Einflußnahme der betreffenden verantwortlichen Ministerien einen mit Details unterstützten Vorschlag bezüglich der erwähnten Proportion ausarbeiten.

22. Diesen Vorschlag unterbreitet jedes Ministerium dem betreffenden Reichstage, wo derselbe ordnungsgemäß behandelt wird. Ein jeder Reichstag theilt seine Beschlüsse im Wege der betreffenden Ministerien dem anderen Reichstage mit und die dergestalt zu bewirkenden Feststellungen beider Theile werden Sr. Majestät zur Sanctionirung unterbreitet werden.

23. Sollten beide Deputationen bezüglich des Vorschlages sich nicht einigen können, so wird das Gutachten eines jeden Theiles beiden Reichstagen vorgelegt. Sollten jedoch beide Reichstage sich nicht einigen können, dann wird Se. Majestät auf Grund der unterbreiteten Daten die Frage lösen.

24. Die bezüglich der Proportion abzuschließende Vereinbarung kann sich blos auf eine bestimmte Zeit erstrecken, nach Ablauf derselben findet neuerdings auf dieselbe Weise eine neue Vereinbarung statt.

25. Was die Manipulation der oben präcisirten Gegenstände betrifft, so bemerken wir vor Allem, daß die Abänderung des diesbezüglich früher bestimmten Modus stricte nicht aus den in der Pragmatischen Sanction bestimmten Verpflichtungen fließt, sondern es macht dies die Veränderung der Lage, die wir in der 5. alinea angeführt, zweckmäßig. Sowohl der 1861er, als der gegenwärtige Reichstag sprach es in seinen wiederholten Adressen aus, daß er mit den übrigen Ländern Sr. Majestät als constitutionellen Völkern in Berührung treten will, bei Wahrung der Unabhängigkeit beider Theile. Indem wir mithin einen Vorschlag über die Art dieser Berührung machen, wünschen wir sowohl die obigen Erklärungen der Reichstage, als die praktische Opportunitäts-Rücksicht gleichermaßen vor Augen zu halten.

26. Voraus schicken wir, daß wie immer die Feststellung des Reichstags bezüglich der gemeinsamen Angelegenheiten und des Modus ihrer Behandlung beschaffen sei, dieselbe, unserer Ansicht nach, factisch insolange nicht in's Leben treten kann, als die Verfassung des Landes nicht in ihrem ganzen Umfange nach factisch wiederhergestellt wird. Und dies ist die eine der Grundbedingungen unseres Vorschlags.

27. Die zweite Grundbedingung ist die, daß der volle Constitutionalismus auch in den übrigen Ländern und Provinzen Sr. Majestät in's Leben trete; denn wir können mit diesen Ländern nur als constitutionellen Ländern bezüglich welch gemeinsamer Verhältnisse immer in Berührung treten. Und auch Se. Majestät selbst wünschte aus diesem Grunde den bisherigen Modus der Behandlung dieser Angelegenheiten abzuändern; denn er bekleidete auch seine übrigen Länder mit constitutionellen Rechten und hält auch bei Behandlung der gemeinsamen Angelegenheiten den constitutionellen Einfluß derselben nicht für überflüssig.

28. Wenn somit die Verfassung Ungarns vollständig und factisch wiederhergestellt fein wird, und auch die übrigen Länder Sr. Majestät factisch eine wahrhafte Verfassung besitzen, und die gesetzliche verantwortliche Regierung hier und dort die Regierung übernommen haben wird, dann, aber auch nur dann könnte man die Angelegenheiten, welche der Feststellung gemäß für gemeinsam anzusehen sein werden, auf folgende Weise gemeinsam behandeln.

29. Ein gemeinsames Ministerium muß für die Gegenstände errichtet werden, welche, als in der That gemeinsam, weder unter die gesonderte Administrative der Länder der ungarischen Krone, noch der übrigen Länder Sr. Majestät gehören. Dieses Ministerium darf neben den gemeinsamen Angelegenheiten die besonderen Administrativ-Angelegenheiten weder des einen noch des anderen Theiles führen, noch auf dieselben Einfluß üben. Verantwortlich wird ein jedes Mitglied dieses Ministeriums bezüglich alles dessen sein, was in sein Bereich gehört; verantwortlich wird aber auch das ganze Ministerium gemeinschaftlich bezüglich seiner derartigen amtlichen Verfügungen sein, welche es gemeinschaftlich festgestellt hat.

30. In Betreff jenes Theiles der gemeinsamen Angelegenheiten, welcher nicht rein zur Administrative gehört, halten wir weder einen vollen Reichsrath noch ein wie immer zu benennendes gemeinsames oder Central-Parlament für zweckmäßig, und nehmen keines derselben an, sondern wünschen, daß, nachdem auch nach der Allerhöchsten Thronrede Sr. Majestät die Pragmatische Sanction unser gemeinsamer Ausgangspunkt ist, einerseits die Länder der ungarischen Krone zusammen, andererseits die übrigen Länder und Provinzen Sr. Majestät zusammen als zwei gesonderte und ganz gleichberechtigte Theile angesehen werden mögen. Folglich halten wir die vollkommene Parität der beiden Theile bei Behandlung der gemeinsamen Angelegenheiten für eine unerläßliche Bedingung.

31. Diesem Principe der Parität zufolge möge seitens Ungarns der ungarische Reichstag eine Delegation von bestimmter Mitgliederzahl wählen, und zwar aus beiden Häusern des Reichstages. Gleichermaßen mögen auch die übrigen Länder und Provinzen Sr. Majestät auf constitutionellem Wege eine Delegation aus ebenso vielen Mitgliedern von ihrer Seite wählen. Die Zahl der Mitglieder dieser Delegationen wird bei Verhandlung der Details bestimmt werden; jetzt wird nur ausgesprochen, daß diese Zahl auf jeder Seite 60 nicht überschreiten darf.

32. Diese Delegationen sind blos auf Ein Jahr, das ist auf eine Sitzungsperiode des Reichstags zu wählen und mit Ablauf des Jahres oder dem Beginne einer neuen Session hört deren Wirkungskreis vollständig auf. Die Mitglieder derselben können indessen aufs Neue gewählt werden.

33. Jede der Delegationen wählt gesondert aus ihrer Mitte frei ihren Vorsitzenden und Schriftführer, und soweit sie auch ein anderes Personale bedarf, sämmtliche Mitglieder desselben und stellt selbst ihre Geschäftsordnung fest.

34. Die Delegationen werden jederzeit von Sr. Majestät für eine bestimmte Zeitfrist und an jenen Ort einberufen werden, wo Se. Majestät zu jener Zeit verweilt. Doch ist es der Wunsch der ungarischen Legislative, daß die Sitzungen abwechselnd in dem einen Jahre in Pest, im folgenden Jahre aber in Wien oder wenn die Delegation der übrigen Länder und Provinzen Sr. Majestät oder Se. Majestät selbst es wünschen sollte, in irgend einer anderen Hauptstadt jener Länder abgehalten werden mögen.

35. Jede Delegation hält gesonderte Sitzungen und beschließt in denselben mit Abstimmung nach Köpfen und der absoluten Stimmenmehrheit sämmtlicher Commissions-Mitglieder, und was die Majorität beschloß, ist als Beschluß der ganzen Delegation anzusehen. Eine Sondermeinung können die einzelnen Mitglieder wohl zu ihrer eigenen Rechtfertigung in das Protokoll aufnehmen lassen, doch schwächt dies die Kraft des Beschlusses nicht.

36. Die beiden Delegationen dürfen miteinander in einer gemischten Sitzung nicht berathen, sondern jede theilt ihre Ansichten und Beschlüsse der anderen schriftlich mit, und im Falle einer Meinungsdifferenz bestreben sie sich gegenseitig durch geschriebene Nuntien aufzuklären. Diese Nuntien fertigt jede Delegation in ihrer eigenen Sprache an, indem sie zugleich auch eine authentische Uebersetzung anschließt.

37. Sollte es mittelst dieser schriftlichen Nuntien nicht gelingen, die Meinungen dieser beiden Delegationen zu vereinigen, dann halten beide Delegationen eine Plenarsitzung, doch lediglich behufs gemeinsamer Abstimmung. In dieser Plenarsitzung werden die Präsidenten beider Delegationen abwechselnd, bald der Eine bald der Andere präsidiren. Ein Beschluß kann nur dann gefaßt werden, wenn wenigstens zwei Drittel der Mitglieder jeder Delegation anwesend sind. Die Beschlußfassung erfolgt jederzeit mit absoluter Mehrheit. Da aber die praktische Anwendung des Paritäts-Princips im Interesse beider Theile eben bei dem Scrutinium am wichtigsten ist, wird es nöthig sein, auch dafür eine Norm zu schaffen, auf welche Weise im Falle einer Abstimmung von Seite der einen Delegation mehr Mitglieder abwesend sein sollten, als von Seite der anderen hinsichlich der Zahl der Stimmenden die nöthige Parität factisch hergestellt werden könne. Diese Norm kann am zweckmäßigsten dann festgestellt werden, wenn die Details des gegenwärtigen Elaborats ausgearbeitet werden. Das Protokoll wird in der Sprache beider Theile durch die beiderseitigen Schriftführer geführt und gemeinsam authenticirt werden.

38. Wenn ein dreimaliger Schriftenwechsel erfolglos geblieben ist, so hat jeder Theil das Recht, den anderen dazu aufzufordern, daß die Frage durch gemeinschaftliche Abstimmung entschieden werde, was dann der aufgeforderte Theil nicht verweigern kann; die Präsidenten beider Theile vereinbaren dann den Ort, Tag und die Stunde der Abstimmung, und jeder Präsident ladet die Mitglieder seiner Delegation dazu ein.

39. In den Wirkungskreis dieser Delegationen können nur jene Gegenstände gehören, die in dem die gemeinsamen Angelegenheiten bezeichnenden Gesetze entschieden als gemeinsame diesen Delegationen zugewiesen werden. Ueber diese Gegenstände hinaus dürfen diese Delegationen ihre Thätigkeit nicht erstrecken und in die dem ungarischen Reichstage und der ungarischen Regierung vorbehaltenen Angelegenheiten sich nicht mengen.

40. Die zur Behandlung der gemeinsamen Angelegenheiten entsendete Delegation wünschen wir als eine solche Körperschaft anzusehen, die — vom Reichstage frei gewählt — in den Angelegenheiten und nach den Normen, welche das Gesetz bezeichnet und abgegrenzt hat, den Reichstag in gleicher Weise gegenüber den übrigen Ländern Sr. Majestät vertritt, wie wir einzelne, bezirksweise frei gewählte Abgeordnete, das Land und dessen Interessen auf dem ungarischen Reichstage vertreten. Eben aus diesem Grunde halten wir es nicht für zweckmäßig, daß die Delegation durch vorhergehende Instructionen gebunden sei; denn bei solchen Instructionen würde die Berührung zwischen den beiden Theilen nicht zum Ziele führen, und oft würde es geschehen, daß, wenn die derartigen Delegationen der beiden Theile durch bestimmte, aber von einander abweichende Instructionen gebunden wären, es unmöglich wäre, im Wege der Vereinbarung zu einem Resultate zu gelangen. Nun sind aber eben jene Gegenstände, welche gemeinsame Angelegenheiten bilden, von solcher Natur, daß das Umgehen oder Aufschieben einer Endentscheidung derselben oft so viel hieße, als die Staatsmaschine ins Stocken bringen.

41. Bezüglich des Verfahrungsmodus, glauben wir, wäre es zweckmäßig, zu bestimmen, daß der Gegenstand, welcher gesetzmäßig vor diese Delegation gehört, durch das gemeinsame Ministerium jeder Delegation besonders vorgelegt werde. Jede Delegation wird das Recht haben, an das gemeinsame Ministerium, oder, je nach den Fächern, an das betreffende Mitglied desselben Fragen zu richten und von demselben Antwort und Aufklärung zu verlangen. Eben darum wird das gemeinsame Ministerium das Recht und — wenn es hiezu aufgefordert wird — die Pflicht haben, bei der einen Delegation, sowie bei der anderen zu erscheinen und wörtliche oder mündliche Aufklärungen zu geben, oder wenn es ohne Nachtheil geschehen kann, auch die nöthigen Documente vorlegen.

42. Die Feststellung des gemeinsamen Ausgabe-Budgets wird den jährlich wiederkehrenden wichtigsten Theil der Aufgabe dieser Delegationen bilden. Dieses Ausgaben-Budget, welches sich blos auf jene Ausgaben erstrecken darf, die in dem wegen Feststellung dieser gemeinsamen Angelegenheiten zu schaffenden Gesetze als gemeinsame werden bezeichnet werden, wird das gemeinsame Ministerium mit Einflußnahme der beiden besonderen verantwortlichen Ministerien ausarbeiten und so jeder Delegation gesondert vorlegen. Die Delegationen werden es nach dem oben beschriebenen Modus besonders berathen und ihre Bemerkungen einander schriftlich mittheilen; über die Punkte, in Betreff welcher ihre Ansichten sich nicht vereinigen würden, entscheiden sie durch Abstimmung in gemeinschaftlicher Sitzung.

43. Das auf diese Weise festgestellte Budget kann von den einzelnen Ländern nicht mehr einer Behandlung unterzogen werden, sondern es ist jedes Land verpflichtet, nach dem Verhältniß, welches (auf die in den Punkten 20, 21, 22, 23 und 24 unseres Vorschlages beschriebene Weise) im voraus festgestellt worden, den aus dem gemeinsamen Budget auf dasselbe entfallenden Theil zu tragen. Weil jedoch bezüglich dieser gemeinsamen Ausgaben das Auswerfen, Eintreiben und Festsetzen des Steuersystems, was Ungarn anbelangt, in den Wirkungskreis des ungarischen Reichstags und des ungarischen verantwortlichen Ministeriums gehört, so wird das ungarische Ministerium in seinem dem ungarischen Reichstage vorzulegenden Budget auch immer jene Summen aufnehmen, die aus dem bereits festgestellten gemeinsamen Budget nach dem erwähnten Verhältniß auf Ungarn entfallen; nur dürfen diese Posten bezüglich ihrer Höhe keiner weiteren Discussion unterzogen werden. Nachdem die zu den dergestalt festgesetzten gemeinsamen Ausgaben nöthige Summe durch das ungarische verantwortliche Ministerium eingetrieben worden, wird der ungarische Finanzminister von den monatlich einfließenden Staatseinkünften den zur Deckung der gemeinschaftlichen Kosten dienenden Theil dem gemeinschaftlichen Finanzminister monatlich nach dem Verhältnisse übermitteln, in welchem Verhältnisse die Summe des Gesammtbudgets zum Landesbudget steht. Der gemeinsame Finanzminister wird für die Verwendung der übernommenen Summe zu den bestimmten Zwecken verantwortlich sein, indem es selbstverständlich ist, das derjenige, welche die Summen manipulirt, zu genauer Rechnungsablegung verpflichtet sein wird.

44. Die Revision derartiger Rechnungen kommt ebenfalls den erwähnten Delegationen zu; diese werden auch in Bezug auf diese Rechnungen in der oben beschriebenen Weise vorgehen.

45. Ein ähnliches Vorgehen gilt auch für alle anderen Angelegenheiten, welche als gemeinsame Angelegenheiten in den Kreis der erwähnten Delegationen gehören. Auch sie legt das gemeinsame Ministerium jeder Delegation separat vor, die Delegationen behandeln sie separat, theilen sich ihre Ansichten schriftlich mit, und wenn sie sich auf diese Weise nicht vereinigen könnten, dann beschließen sie, wie oben bemerkt wurde, in einer Abstimmungs-Gesammtsitzung. Es versteht sich von selbst, daß ihre Beschlüsse, insofern sie der fürstlichen Sanction unterliegen, Sr. Majestät zu unterbreiten sind; wurden sie von Sr. Majestät sanctionirt, so werden sie bindende Kraft besitzen. Solche durch fürstliche Sanction festgestellte Beschlüsse wird jedoch Se. Majestät jedem Reichstage durch das betreffende eigene verantwortliche Ministerium zur Kenntniß bringen lassen. Jene Beschlüsse, welche in den Delegationen in der oben beschriebenen Weise gefaßt und durch Se. Majestät sanctionirt wurden, kann Se. Majestät, nachdem sie dem ungarischen Reichstage mitgetheilt worden, in Ungarn nur durch das verantwortliche ungarische Ministerium ausüben lassen. Daher wird auch das verantwortliche ungarische Ministerium alle jene Ausgaben, welche in Folge solcher auf diese Weise gefaßter und sanctionirter Beschlüsse auf Ungarn entfallen, mit dem auf verfassungsmäßigem Wege festgestellten ungarischen Budget zusammen auswerfen und eintreiben.

46. Außer dem, was das gemeinsame verantwortliche Ministerium den Delegationen für die gemeinsamen Angelegenheiten unterbreitet, besitzt jede dieser Delegationen auch ein Recht der Initiative; aber nur bezüglich solcher Gegenstände, welche, als gemeinsame Angelegenheiten, dem Gesetze gemäß streng in den Kreis dieser Delegationen gehören. Jede Delegation kann also einen derartigen Vorschlag machen und ihn schriftlich auch der anderen Delegation mittheilen. Der auf diese Weise eingebrachte Vorschlag wird aber auf dieselbe Weise zu behandeln sein, wie dies in Bezug auf andere, in den Kreis der Delegation gehörige Fragen schon oben entwickelt wurde.

47. Die Delegations-Sitzungen werden in der Regel öffentlich sein. Die diesbezüglichen Ausnahmsfälle werden durch die Geschäftsordnung festgesetzt werden. Ein Beschluß kann jedoch nur in öffentlicher Sitzung gefaßt werden.

48. Für den Fall, daß Se. Majestät einen Reichstag auflösen sollte, hört auch die Delegation des aufgelösten Reichstags auf, und ein neuer Reichstag wählt eine neue Delegation.

49. Die Mitglieder der Delegationen können für Aeußerungen, die sie bei Behandlung von gesetzlich in ihren Kreis gehörigen Angelegenheiten gethan, niemals zur Verantwortung gezogen werden; ja sie können bis zum Aufhören ihres Amtes weder einer gerichtlichen Klage, welche eine persönliche Detention nach sich ziehen kann, noch eines Vergehens oder Verbrechens wegen, ausgenommen den Fall, wo sie auf der That ertappt worden, ohne vorhergehende Zustimmung des Reichstags, oder für den Fall, daß der Reichstag nicht versammelt ist, jener Delegation, deren Mitglieder sie sind, weder verhaftet noch unter Anklage gestellt werden. In Bezug auf die Fortsetzung oder Beendigung der Verhaftung eines auf der That ertappten Mitgliedes hat für den Fall, daß der Reichstag nicht versammelt ist, ebenfalls die betreffende Delegation Bestimmungen zu treffen. Uebrigens werden zur Verhütung von Unordnungen, welche bei den Berathungen vielleicht vorkommen könnten, durch die Geschäftsordnung Maßregeln getroffen werden.

50. Sollte irgend ein Mitglied der einen oder der anderen Delegation während der Zeit sterben oder durch ein gesetzliches Urtheil seiner Freiheit beraubt werden, oder sollte es aus wichtigen Gründen seiner Stellung entsagen, so ist die auf diese Weise freigewordene Stelle von Seiten des Reichstags sogleich zu besetzen. In dieser Beziehung wird es wohl das Zweckmäßigste sein, daß der Reichstag bei der Wahl der Delegation zugleich eine gewisse Anzahl Ersatzmänner wählen und gleichzeitig die Reihenfolge bestimmen würde, in welcher die Ersatzmänner durch den Präsidenten der betreffenden Delegation in die freigewordenen Stellen zu berufen wären.

51. Für den Fall einer Abdankung wird der Reichstag oder, falls er nicht versammelt ist, die betreffende Delegation über die Wichtigkeit der Gründe zur Abdankung und über die Annahme der Abdankung urtheilen.

52. Was die Verantwortlichkeit des gemeinsamen Ministeriums und die Art und Weise derselben anbelangt, so wird jede Delegation berechtigt sein, in Fällen, wo sie dies wegen Verletzung eines verfassungsmäßigen Gesetzes für nöthig findet, einen Antrag auf Anklage des gemeinsamen Ministeriums oder eines einzelnen Mitgliedes dieses Ministeriums zu stellen und diesen Antrag der anderen Delegation schriftlich mitzutheilen. Wenn jede Delegation die Anklage beschließt, oder wenn dieselbe, abweichender Ansichten wegen, in einer dem Obigen entsprechenden Abstimmungssitzung mit Majorität beschlossen wird, so ist der Beschluß sofort als ein rechtsgiltiger zu betrachten.

53. Das Gericht eines auf diese Weise beschlossenen Processes ist in folgender Art zu bilden: Jede Delegation schlägt, und zwar nicht aus ihrer Mitte, sondern aus den unabhängigen und gesetzkundigen Bürgern jener Länder, welche sie repräsentirt, je 24 Mitglieder vor. Jede Delegation wird das Recht besitzen, aus den von der anderen Delegation in Vorschlag gebrachten 24 Mitgliedern ohne alle Begründung 12 zu streichen. Auch die Angeklagten haben alle und zusammen das Recht, die Streichung von 12 Mitgliedern zu fordern, so jedoch, daß in der Zahl der übriggebliebenen Mitglieder die Zahl der von jeder Delegation gewählten Richter die gleiche sei. Und die auf diese Weise übriggebliebenen Mitglieder werden die Richter des Processes sein.

54. Mit Ausnahme der oben bezeichneten gemeinsamen Angelegenheiten, welche wir auf Grund der pragmatischen Sanction als gemeinsam zu behandelnde annahmen, gibt es noch andere hochwichtige gemeinsame Angelegenheiten, deren Gemeinsamkeit zwar nicht aus der Pragmatischen Sanction folgt, welche jedoch, theils zufolge der Verhältnisse aus politischen Rücksichten, theils wegen Zusammenfallens der Interessen der beiden Theile, zweckmäßiger mittelst gemeinsamer Vereinbarung, als strenge gesondert erledigt werden können.

55. Die Staatsschulden betreffend, können Ungarn, kraft seiner constitutionellen Stellung, strenge genommen solche Schulden, welche ohne die gesetzliche Einwilligung des Landes geschlossen wurden, rechtlich nicht belasten.

56. Aber wir haben auch auf diesem Reichstage in unserer als Antwort auf die Allerhöchste Thronrede unterbreiteten Adresse erklärt, daß, „wenn in unserem Vaterlande, sowie in anderen Ländern Sr. Majestät ein wahrhafter Constitutionalismus je früher factisch ins Leben tritt, wir bereit sind, wie wir es schon in unserer Adresse vom Jahre 1861 ausgesprochen, das, was uns zu thun erlaubt ist und was wir ohne Verletzung unserer Selbstständigkeit und unserer constitutionellen Rechte thun können, auch über das Maß unserer gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht hinaus auf Grundlage der Billigkeit und politischen Rücksichten zu thun, damit unter jenen schweren Lasten, welche das Verfahren des absoluten Systems angehäuft, nicht der Wohlstand der übrigen Länder Sr. Majestät und mit diesem der unsrige zusammenbreche, und die schädlichen Folgen der abgelaufenen schweren Zeiten von ihnen und von uns abgewendet werden".

57. Diesen Rücksichten gemäß und allein auf Grund derselben ist das Land auch jetzt bereit, einen Theil der Staatsschuldenlast zu übernehmen und zu diesem Zwecke im Wege vorläufiger Conferenzen mit den anderen Ländern Sr. Majestät als freie Nation mit einer freien Nation in Verhandlungen zu treten.

58. In Zukunft aber wird die Creditangelegenheit eine gemeinsame sein in solchen Fällen, wo sowohl Ungarn als auch die anderen Länder Sr. Majestät es unter den obschwebenden Verhältnissen in ihrem eigenen Interesse für zweckmäßig halten werden, irgend ein neues Anlehen zusammen und gemeinsam aufzunehmen. Bei solchen Anlehen wird Alles, was sich auf den Abschluß des Vertrages und die Modalität der Benützung und Rückzahlung des aufgenommenen Geldes bezieht, gemeinsam angeordnet werden. Die vorläufige Bestimmung dessen jedoch, ob irgend ein Anlehen gemeinsam aufgenommen werde, gebührt bei allen einzelnen Fällen in Hinsicht Ungarns dem ungarischen Reichstage.

59. Uebrigens erklären wir feierlich auch an diesem Orte, daß wir kraft jenes Grundprincipes des wahren Constitutionalismus, wonach das Land ohne seine Einwilligung mit Steuern nicht belastet werden darf, auch in Zukunft keine Staatsschuld in Bezug auf Ungarn für verpflichtend anerkennen werden, bei deren Aufnahme die gesetzlich und bestimmt ausgesprochene Einwilligung des Landes nicht mitwirkt.

60. Auch die Gemeinsamkeit der commerciellen Angelegenheiten folgt nicht aus der Pragmatischen Sanction; denn im Sinne der letzteren sind die Länder der ungarischen Krone gesetzlich unabhängig von den übrigen Ländern des Fürsten, können also durch ihre eigene verantwortliche Regierung und Gesetzgebung Verordnungen treffen und durch Zolllinien ihre commerciellen Angelegenheiten regeln.

61. Nachdem jedoch zwischen uns und den übrigen Ländern Sr. Majestät die gegenseitige Berührung der Interessen zahlreich und wichtig ist, erklärt sich der Reichstag für bereit, daß rücksichtlich der commerciellen Angelegenheiten der ungarischen Krone einerseits und den übrigen Ländern Sr. Majestät andererseits zeitweise Zoll- und Handelsbündnisse geschlossen werden.

62. Dieses Bündniß hätte jene Fragen, welche sich auf den Handel beziehen und die Art der Gebahrung der commerciellen Angelegenheiten zu bestimmen.

63. Das Schließen des Bündnisses hätte durch einen gegenseitigen Vertrag zu erfolgen, auf die Weise, wie ähnliche Vereinbarungen zweier gesetzlich von einander unabhängiger Länder geschehen. Die verantwortlichen Ministerien der beiden Theile haben im gemeinschaftlichen Einvernehmen den detaillirten Entwurf des Bündnisses anzufertigen, den betreffenden Reichstagen zu unterbreiten und die Bestimmungen der beiden Reichstage sind dann Sr. Majestät zur Sanction vorzulegen.

64. Eben darum wird, wenn das Quotenverhältniß der gemeinsamen Ausgaben nach dem in den alinea 20, 21. 22, 23 und 24 präcisirten Modus festgestellt werden wird, zugleich zwischen den Ländern der ungarischen Krone einerseits und Sr. Majestät übrigen Ländern und Provinzen andererseits ein Zoll- und Handelsbündniß nach der in alinea 63 bestimmten Weise abzuschließen sein, wobei zugleich ausgesprochen wird, daß die bisher mit dem Auslande abgeschlossenen Handelsverträge auch für Ungarn Geltung haben.

65. Bei dieser Gelegenheit und ebenfalls durch eine der alinea 63 gemäße Vereinbarung können für die mit der Industrie-Production in enger Verbindung stehenden indirecten Steuern, für deren gleichförmiges Verhältnis und für die Gebahrung derselben solche Normen festgesetzt werden, welche die Möglichkeit dessen ausschließen, daß die eine Legislative oder die eine verantwortliche Regierung Maßregeln in diesem Punkte träfe, welche eine Verkürzung des Einkommens des andern Theiles nach sich ziehen könnten. Zugleich kann auch für die Zukunft der Modus festgestellt werden, wonach die bei diesen Steuern einzuführenden Reformen durch beide Gesetzgebungen übereinstimmend würden entschieden werden.

66. Ferner würde auch bestimmt werden, durch wen und in welcher Weise die Aufsicht über die gleichmäßige Verwaltung aller Zolllinien auszuüben sei und würde ausgesprochen werden, daß die Zolleinnahmen zur Deckung der gemeinsamen Auslagen zu verwenden sind; die Summe dieser Einkünfte wird daher vor Allem von der Summe der gemeinsamen Ausgaben abgezogen werden.

67. Da die Eisenbahnen eines der wesentlichsten Mittel zur Förderung des Handels sind, kann bei Abschluß des Zoll- und Handelsbundes durch ein im Sinne der alinea 63 zu schließendes Übereinkommen bestimmt werden, bezüglich welcher Eisenbahn-Linien im Interesse beider Theile gemeinsame Verfügungen nothwendig sind, und wie weit sich diese Verfügungen zu erstrecken haben. Hinsichtlich aller anderen Eisenbahn-Linien gehört das Verfügungsrecht ausschließlich jedem Ministerium und Reichstage, dessen Territorium sie durchlaufen.

68. Mit dem Handel steht auch die Feststellung des Münzwesens und des allgemeinen Geldfußes im engen Zusammenhange. Es ist daher nicht nur wünschenswerth, sondern im Interesse jedes Theiles auch nothwendig, daß sowohl das Münzwesen als auch der Geldfuß in allen Ländern, welche zu dem zu schließenden Zollbund gehören werden, gleich sei. Bei Abschluß des Zoll- und Handelsbundes wird es daher nöthig sein, auch über das Münzwesen und den Geldfuß im Wege besonderer Verhandlungen Verfügungen zu treffen. Sollte aber später eine Abänderung der in dieser Weise festgestellten Verfügungen oder die Feststellung eines neuen Münzsystems un d Geldfußes sich als nothwendig oder zweckmäßig herausstellen, so wird dies im gegenseitigen Einvernehmen der beiden Ministerien und unter Gutheißung beider Reichstage geschehen. Selbstverständlich bleiben die Majestätsrechte des Königs von Ungarn hinsichtlich der Prägung und Emission von Geldmünzen in vollständiger Unversehrtheit aufrecht.

69. Bei Bestimmung der Quote und bei Abschluß des Zollbundes wird zu gleicher Zeit der auf die Staatsschulden bezügliche von Ungarn zu übernehmende Jahresbeitrag nach der in den alinea 57 und 63 bezeichneten Weise durch ein freies Uebereinkommen festzustellen sein.

70. Es ist selbstverständlich, daß, wenn und inwieferne eine Vereinbarung nicht gelingen sollte, die gesetzlichen Rechte des Landes auch in diesem Theile unantastbar bleiben.

71. Hinsichtlich jener Frage, daß mit Rücksicht auf die gemeinschaftlichen Angelegenheiten und deren Handhabung die in unseren Gesetzen etwa nöthigen Abänderungen bezeichnet werden sollen, glaubt die Subcommission, daß diese Bezeichnung zweckmäßigerweise nur nach Feststellung des Entwurfes geschehen könnte; denn erst dann würde es deutlich ersichtlich sein, worin und inwiefern die bisherigen Gesetze abzuändern und mit den neuen Bestimmungen in Einklang zu bringen sind.


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